Ernst von Glasersfeld

Bei der Erstellung dieser Arbeit sind die österreichischen Konstruktivisten Heinz von Foerster, Paul Watzlawick und Ernst von Glasersfeld in ihrem Denken große Vorbilder für mich gewesen. 

 

Umso dankbarer bin ich für das Begleit-Wort, das Ernst von Glasersfeld dem Projekt `Wissensmanagement in Empowerment Prozessen mit auf den Weg gab:


"Den Begriff Empowerment gab es noch nicht, als ich jung war. Auch in der 12. Auflage von Wehrle-Eggers Deutscher Wortschaft (1961) ist das Wort "Selbstermächtigung" nicht enthalten. Im Rückblick ist es aber klar, dass es auch vor der Benennung des Begriffs Leute gab, die ein Gefühl der eigenen Unabhängigkeit entwickelten. Es gab noch keinen Namen dafür, aber es lag ungefähr zwischen Selbständigkeit und Selbstbewusstsein.

 

Ich bin meinen Eltern unendlich dankbar dafür, dass sie mich von allem Anfang an dazu bewogen, Rechtfertigung und Wert - ich möchte fast sagen, Lebensberechtigung - nicht im Urteil anderer zu suchen, sondern in mir selbst. Sie lehrten mich, dass es das eigene Denken und Handeln ist, das zählt, und nie die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv, sei es Sprachgruppe, Religion, Nation, Dorfgemeinschaft oder Schiclub; und Hand in Hand mit Unabhängigkeit kommt die Einsicht, dass man selber für das eigene Denken und Handeln verantwortlich ist.

 

Diese Einstellung bedeutet keineswegs, dass man nicht mit anderen zusammenarbeiten kann, doch die Zusammenarbeit beruht darauf dass man die Gemeinsamkeit bestimmter Ziele erkannt hat, nicht etwa darauf, dass man die eigene Zielsetzung aufgegeben hätte.

 

In diesem Zusammmenhang ist, wie die beiden Autoren des öfteren erwähnen, Reflexion eine unentbehrliche Komponente. Nur wer sich über die eigenen Stärken und Schwächen eingermassen bewusst geworden ist und eingesehen hat, dass Probleme prinzipiell mehr als eine Lösung zulassen, kann einer Gruppe von anderen unter Umständen ein Problem lösen helfen.

 

Was den positiven Einfluss wohlmeinender Helfer oft herabsetzt, ist die Einspurigkeit ihrer Vorschläge. Die von den Autoren ausgearbeitete "Drehscheibe" suggeriert verschiedene Dimensionen der sozialen Interaktion und erleichtert es dem Einzelnen Handlungsweisen zu finden, die in der gegebenen Situation angesichts der eigenen und der anderen Neigungen und Möglichkeiten angemessen und gangbar erscheinen.

 

Von meinem Gesichtspunkt aus, besteht das Hauptproblem aller gesellschaftlichen Einordnung und der Verpflichtungen, die daraus erwachsen, darin, ein tragbares Gleichgewicht der persönlichen Eigenart und der Anpassung an andere zu schaffen. Kurz, es geht darum, zu verhindern, dass die Individualität, die ja die eigentliche Wurzel des Empowerment sein soll, nicht durch die Angleichung an eine soziale Schablone, verrwässert wird. Die Gesellschaft besteht aus Individuen und nur insofern die Individuen sich auch in der Zusammenarbeit ihre Eigenständigkeit behaupten, kann sie eine gesunde Gesellschaft bleiben.

 

In politischen Zusammenhängen wird oft von der Selbstbestimmung unterschiedlicher Volksgruppen gesprochen; die Autoren dieses Buchs betonen die selten erwähnte Voraussetzung, dass Selbstbestimmung mit dem Individuum beginnen muss."

 

Ernst von Glasersfeld

am 26. September 2004